Zuckerrohr

In unserem Garten haben wir auch Zuckerrohr (Saccharum officinarium) aus der Familie der Süßgräser (Poaceae). Im Aussehen sieht es ähnlich wie Mais oder Bambus aus, die Halme werden bis zu 4 Meter hoch und bis zu 5 cm dick.

Seit ca. 2500 Jahren wird das Zuckerrohr kultiviert, zunächst im ostasiatischen Raum, wo die Pflanze ursprünglich heimisch sein soll. Allmählich gelangte diese Pflanze um das 1. Jahrhundert nach Christus in den Nahen Osten. Es wurde entdeckt, dass der Zuckersaft kristallisiert viel länger haltbar ist und leichter zu transportieren ist. Um diese Zeit war Zucker sehr rar und sehr teuer. Erst sehr viel später gelangte die damals bekannte zuckerlieferende Pflanze nach Brasilien und in die Kolonien der Europäer um 1500 und fasste dort Fuß.

Bis zur Züchtung der Zuckerrübe aus der Runkelrübe war das Zuckerrohr die einzige zuckerlieferende Pflanze. Als ursprüngliche Herkunftsgebiete werden Indien, Neuguinea und China angegeben, die genaue genetische Herkunft ist unklar. Im Mittelmeergebiet war das Zuckerrohr schon während der Römerzeit bekannt. Es wurde durch die Mauren und Araber weiter verbreitet und wurde mit der entstehenden Plantagenwirtschaft der Spanier nach Südamerikaner. Die Portugiesen brachten es in die Bucht von Benin, auf die Kanaren, in die Karibik und nach Mittelamerika. Der Zuckerrohranbau in Südamerika hat entscheidend zur Verschleppung von Schwarzafrikanern  in die Sklaverei (10 bis 15 Mio. Menschen) und zur Ausrottung ganzer Volksgruppen in Mittel- und Südamerika geführt.

Heute wird Zuckerrohr weltweit in den tropischen Ländern angebaut und stellt etwa 55 Prozent der Zuckerproduktion. Hauptanbauländer sind Indien, Australien, Thailand, Südafrika, Kuba, Jamaika, die Philippinen, die Dominikanische Republik und Brasilien. Die Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfeldern sind teilweise katastrophal und sklavenhalterisch. Häufig werden Kinder als Arbeitskräfte eingesetzt; Hungerlohnbezahlung ist in den Regionen des Zuckerrohranbaus an der Tagesordnung. Brasilianische Plantagenarbeiter bekommen etwa 1,4 Reais (ca 60 Euro Cents - Stand Juni 2007) pro gehackter Tonne Zuckerrohr. Die Tagesleistung liegt bei guten Arbeitern bei ca.  15 bis 20 Tonnen. Entsprechend billig kann der Rohrzucker angeboten werden, in der EU ist er allerdings wegen sehr hohen Zöllen trotzdem nicht konkurrenzfähig gegen den subventionierten Rübenzucker.

Die Vermehrung des Zuckerrohrs ist durch Stecklinge möglich, aus.Halmstücken aus dem unteren Bereich der Zuckerrohrhalme, die zwei bis vier Knoten aufweisen. Nach kurzer Zeit (1 bis 2 Wochen) treiben die Stecklinge aus und bewurzeln sich.

Die erste Ernte, das Schneiden des Rohrs, kann 9 bis 24 Monate nach dem Auspflanzen erfolgen. Der Erntezeitpunkt richtet sich nach Zuckergehalt und Reifegrad. Die Halme werden direkt über dem Boden und in einer Höhe unter dem zuckerlosen Blattapparat abgeschnitten. Dies geschieht häufig noch per Hand oder aber mit Zuckerrohrerntemaschinen. Die Halmstümpfe treiben wieder aus und nach weiteren 12 Monaten kann die nächste Ernte geschnitten werden. Bis zu 8 Ernten können auf einem Zuckerrohrfeld wachsen. In Indien beträgt die Nutzungsdauer zum Beispiel 2 Schnitte, bei uns in Brasilien dagegen 5 Schnitte. Eine Zuckerrohrpflanze kann bis zu 20 Jahre alt werden.

Inhaltsstoffe des Zuckerrohrs sind Zucker (überwiegend Saccharose) mit einem Anteil von bis zu 18 Prozent und ein Wachs, das teilweise auch industriell genutzt wird.

Zuckerrohr ist neben der Zuckerrübe der Hauptrohstoff für die Herstellung von Industriezucker. Neben seiner Verwendung als Grundnahrungsmittel wird er auch zur Herstellung von Spirituosen verwendet. In Paraguay wird aus dem vergorenen Zuckerrohrsaft ein Schnaps gebrannt, der nach Zusatz von Zuckerkulör bzw. Karamell als "caña" bezeichnet wird. In Kolumbien wird aus Zuckerrohr und Anis Aguardiente gebrannt. In Brasilien basiert der Cocktail Caipirinha auf dem Zuckerrohrschnaps Cachaça. Aus der Zuckerrohr-Melasse, dem immer noch zuckerhaltigen Restsirup, der bei der Zuckerpoduktion übrigbleibt, wird Rum hergestellt.

Der aus frischem Zuckerrohr gepresste, meist gekühlte Saft ist ein weit verbreitetes und beliebtes Getränk, das wir hier auch aus unserem Zuckerrohr im Garten gewinnen. In Kuba oder Spanien wird Zuckerrohrsaft als guarapo, in Brasilien als caldo de cana oder garapa bezeichnet.

Aus Zuckerrohr (oder Melasse) fermentierter, raffinierter Alkohol dient in Brasilien als Kraftstoff für Autos und wird entweder in ausschließlich mit Ethanol betankten Fahrzeugen oder im Flexible Fuel Vehicle eingesetzt. In Brasilien werden jährlich ungefähr 16 Milliarden Liter Ethanol produziert und zum großen Teil als PKW-Kraftstoff, aber auch für Flugzeuge wie die Embraer EMB 202A genutzt.

 

 

Zuckerrohr in unserem Garten im August 2007

 

 

Erstellt von Joachim Jäck am 21.08.2009